Seit den 1950er Jahren, als Jahns Interesse an afrikanischer Literatur geweckt wurde, hat sich aber auch vieles verändert, und manche Prämissen und Aspekte von Jahns Denken und Werk erscheinen aus heutiger Sicht zweifellos auch problematisch. Es geht, weder wissenschaftshistorisch noch bei dem Comic-Projekt, auf gar keinen Fall um eine Idealisierung oder gar Glorifizierung der Person Janheinz Jahns.
In Ib Zongos Comic wird diese grundsätzliche Notwendigkeit und Legitimität der kritischen Auseinandersetzung mit Jahns Biografie und Schaffen in der Gegenwart sehr eindrücklich angedeutet. Nachdem die Erzählerfigur des Dozenten von Jahns Aktivitäten während des Zweiten Weltkriegs berichtet hat, unterstreicht nicht nur die berechtigte Nachfrage einer Studentin nach Jahns konkreter „Einstellung zum Nazi-Regime“, sondern auch das gleißende Licht des Projektors, dass es wichtig ist, sich nicht vor einer kritischen Durchleuchtung von Jahns Leben und Werk zu scheuen. In dem beschriebenen Bild wird Jahn sofort von einem anderen Besucher der Vorlesung von allen Bedenken entlastet; wäre es hier um bestimmte Facetten von Jahns Selbstverständnis und Kulturtheorien gegangen, hätte es vermutlich größeren Diskussionsbedarf gegeben. Manche der in den 1950er und 1960er Jahren auch von Jahn verwendeten Begrifflichkeiten sowie manche seiner Konzepte, die man natürlich auch im Kontext der damaligen Zeit verstehen muss, befremden uns heute unweigerlich. Jahns in einem Zeitungsartikel veröffentlichte Erinnerung an seine erste, schicksalhafte Begegnung mit Senghor verdeutlicht allerdings, dass sich seine Vorstellungen im Lauf der Zeit kontinuierlich weiterentwickelt und verändert haben; außerdem zeigt sie, wie selbstkritisch er diesen Prozess auch reflektiert hat. Er schreibt: „Mir wurde erst später klar, wie töricht die meisten unserer Fragen waren, wie wir noch alle voller Vorurteile steckten in diesem kleinen Kreis, der sich doch für weltoffen, für aufgeschlossen hielt“.
Ein solcher Erkenntnisprozess dauert idealerweise bekanntlich ein Leben lang an.
Ib Zongos Comic-Biografie schließt mit einem Panel, in dem das Publikum im Hörsaal der Universität der Weisen Afrikas dem Dozenten nach dessen Vortrag über Jahn Beifall spendet und damit die Vermittlungsleistung des Dozenten würdigt, der seinerseits die Vermittlungsleistung von Janheinz Jahn gewürdigt hat. Auch Ib Zongos Comic-Biografie ist eine, wie ich finde, äußerst gelungene Vermittlungsleistung, die Jahns Leben und Werk aus einer ganz neuen Perspektive zeigt und reflektiert und für die ich mich hiermit abschließend nochmals ganz herzlich bei dem Künstler bedanken möchte.
Anja Oed
Wissenschaftliche Leiterin Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen